AHB – Worst vs. Best of Passau
Nach meiner fast 12-monatigen Akuttherapie (Chemotherapie, OP, Bestrahlung) wurde mir nahegelegt, eine Anschlussheilbehandlung zu machen. Diese wurde direkt vom Sozialdienst der Strahlenklinik beantragt. Gemäß § 8 SGB IX, welches allen Patientinnen und Patienten bei der Durchführung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ein Wunschrecht einräumt, habe ich bei Antragstellung drei Wunschkliniken angegeben. Allesamt waren onkologische Fachkliniken und spezialisiert auf Brustkrebs. Diesem Wunsch wurde nicht nachgekommen und mir wurde einer Klinik der Rentenversicherung Bayern Süd zugeteilt. Da diese Klinik keine Fachklinik für Onkologie und auch nicht spezialisiert für Brustkrebs ist (auch wenn sie Onkologie anbietet, aber eben nicht spezialisiert), hatte ich Widerspruch eingereicht und eine 4. Alternativ-Klinik – ebenfalls Fachgebiet Onkologie und Brustkrebs – angegeben. Dies wurde ebenfalls abgelehnt. So bin ich am 11.01.2021 mit „etwas Gepäck“ in das Rehafachzentrum Passau-Kohlbruck gefahren.
Woche 1 – Grüße aus der Reha-Hölle
Gleich am ersten Tag, ca. 2 Stunden nach Ankunft in der Klinik, hatte ich das Aufnahmegespräch mit dem dort angestellten, EINZIGEN Gynäkologen. Dieses Gespräch verlief für mich dermaßen verstörend, dass ich bereits an diesem Tag einen Abbruch der Reha plante. Es fielen sexistische und anderen Patientinnen gegenüber diskriminierenden Aussagen. Direkt am nächsten Morgen bat ich die Stationsschwester um ein Gespräch bei der Klinikleitung, um mich über diesen Arzt zu beschweren. Einen Termin habe ich auch direkt erhalten und noch am selben Vormittag fand ein Gespräch mit der stellvertretenden Klinikleitung und der Stationsärztin statt. Ich schilderte den Vorfall. Beide Ärzte waren sichtlich schockiert und teilten mit, dass dies neben einem Personalgespräch auch ggf. Konsequenzen haben wird. Ich bat darum, von diesem Arzt nicht mehr behandelt zu werden und auch um ein neues Zimmer, da sich meines in unmittelbarer Nähe des Arztzimmers befand. Weitere Begegnungen mit diesem Arzt wollte ich unbedingt vermeiden.
Ende der Woche erhielt ich einen Anruf des besagten Gynäkologen der mir mitteilte, dass er ein Gespräch mit der Klinikleitung hatte und sich bei mir entschuldigen möchte. Er tat dies als „Missverständnis“ ab und er habe nicht gewusst, dass ich eine „Vorgeschichte“ habe. Dieser Arzt ist mir gegenüber verbal Übergriffig geworden. Dies war weder ein Missverständnis noch muss ich mich auch nur annähernd für irgendwelche Vorgeschichten rechtfertigen oder dies angeben (obwohl ich dies im Patientenfragebogen tat). Ein Arzt sollte eine Vertrauensperson sein. Leider habe ich aufgrund dieses Vorfalls sowohl das Vertrauen in diesen Arzt als auch in diese Klinik verloren.
Wie es mir psychisch ging – darüber brauche ich wohl nicht viel sagen. Die erste Woche war für mich gelaufen. Ich war frustriert, genervt, lustlos. Einziger Lichtblick waren die ein oder andere therapeutische Anwendung, die mir doch ganz gut tat. Und die Struktur, die endlich wieder einkehrte. Dies waren auch – nach vielen Gesprächen mit meiner Familie und Freunden – die Hauptgründe, diese Reha nicht abzubrechen. Auch wenn diese Klinik nun noch weniger auf mein Krankheitsbild Brustkrebs passend war. Es hätte zwei Vorträge zu diesem Thema gegeben, diese wurden aber leider von diesem Arzt gehalten und auch die „Schulung“ zum Abtasten der Brust. Kam alles für mich aus gegeben Anlass nicht mehr in Frage. Austausch in einer Gruppe mit „Gleichgesinnten“ war in der ersten Woche auch nicht gegeben.
Das erste Wochenende habe ich größtenteils mit Netflix und Häkeln verbracht. Gottseidank hatte ich mir schon im Vorfeld diverse Filme und Serien heruntergeladen, denn WLAN auf dem Zimmer gab es nicht. Ganz nebenbei, der Empfang war auch nicht gerade prickelnd. Zwischen „Prinzessin Mononoke“, „Mein Nachbar Totoro“ und „Chihiros Reise in Zauberland“ habe ich dann mal eben 4 Mützen gehäkelt. Nebenher noch ein 1000er Puzzle gepuzzelt. Zwischendurch zum Essen in die Kantine. Gottseidank ernähre ich mich „nur“ vegetarisch. Die Auswahl war sehr bescheiden. Als Veganer wäre ich wohl verhungert. Ach, und spazieren war ich auch. Bei Schnee, im Wald, allein.
Woche 2 – Besserung in Sicht, langsam
Neue Woche – neues Glück. Oder so ähnlich. Nach – mal wieder – viel Grübelei und Nachdenken über das Wochenende, habe ich zum zweiten Mal meinen Mut zusammengefasst und bei der Gruppe „Krankheitsbewältigung“ meinen Mund aufgemacht. Bislang wurden nur Vorträge gehalten. Zum Thema „Rezidiv-Ängste“ wurde was über Gefühle und Stresshormone erzählt. Oder aufgeklärt, was Schlafstörungen sind und welche Hormone dafür verantwortlich sind. Wow, so kann ich ganz sicher meine Krebserkrankung im Alltag bewältigen. Ja, und wenn die Psychologin schon die Frage stellt, ob man ein bestimmtes Thema besprechen möchte… Ich persönlich habe mir das ja ganz anders vorgestellt mit dieser Krankheitsbewältigung. Offener Austausch untereinander, Tipps für den Alltag, Umgang mit der Krankheit. Und zack, ging es schon los. Reger Austausch und auch sichtliche Erleichterung bei den anderen Frauen, denn sie sahen es ähnlich wie ich. Leider muss man sagen, dass die Psychologin sichtlich überfordert war. Für mich hatte es aber den Vorteil, dass ich endlich mit anderen Brustkrebspatientinnen ins Gespräch gekommen bin. Man geht ja nicht auf jede kurzhaarige Frau zu und frägt, „Hey, hattest Du auch Krebs? Lass uns mal austauschen!“
Die Therapien nahmen in der zweiten Woche auch Fahrt auf. Trotz Corona war doch einiges im Angebot, unter strengen Hygienevorschriften natürlich, z. B.:
- Wassergymnastik
- Fitness-Studio
- Ausdauertraining
- Yoga
- Becken-Boden-Gymnastik
- Walking
- Bewegungstherapie
- Massage
- Sensibilitätstraining
- Feinmotorik
- Gleichgewichtstraining
Leider muss ich aber dazusagen, dass die Anwendungen/Therapieeinheiten schlecht geplant waren. Teilweise hatte ich 5-6-mal hintereinander das Gleiche (man sollte mir ein Zertifikat als Becken-Boden-Trainerin ausstellen), wirklich gute Anwendungen wie z. B. Narbenbehandlung nur 1-2-mal oder leider auch gar nicht wie z. B. Rückenfit oder Elektrotherapie bei Verspannungen (ich war und bin extrem verspannt). Zu Beginn der Therapieplanung wurde zwar gesagt, wenn bestimmte Anwendungen nicht passend sind oder etwas fehlt, kann dies jederzeit angepasst werden. Dem wurde allerdings, auch auf mehrfache Nachfrage, nicht nachgekommen. Darüber hinaus haben die Therapeuten haben ständig gewechselt.
Was ich persönlich auch schwierig fand, war dass es keine für Brustkrebspatienten spezialisierte Bewegungstherapie gab, keine Übungen, die die Beweglichkeit nach OP/Bestrahlung verbessern. Nur Standard-Gymnastik, die teils nicht machbar oder mit 2 Tagen Schmerzen verbunden war. Es hätte genug Frauen gegeben, um spezielle Sportgruppen mit entsprechenden Übungen zu bilden. Stattdessen waren es gemischte Gruppen und wenn man etwas auf Grund von Einschränkungen nicht machen konnte hat es nur geheißen, man soll die Übungen auslassen, einfach nicht machen. Ok…
Nach und nach habe ich mich dann auch mal getraut in die Frauengruppe zu schnuppern, wenn sie nachmittags oder abends auf Station (mit Abstand und Maske natürlich) zusammengesessen sind. Ein lustiger Haufen war das schon… Es wurde gekniffelt, mit Elke und Dani war ich mal Spazieren und am Wochenende war ich mit Dani in Passau. Raus aus der Klinik, rein ins 250er-Inzidenz-Vergnügen. Mit Maske versteht sich. Sind den Wallfahrtsstieg (320 Stufen!!!!!!) nach oben zur Wallfahrtskirche Maria Hilf gegangen und hatten eine herrliche Aussicht über den Inn und die Altstadt. Wieder runter und um die Altstadt rum. An der Donau entlang zurück, Richtung Dom. Ich bin ja nicht so christliche Mensch aber ich weiß, dass eine liebe Person es ist. Für sie habe ich dort eine Kerze angezündet. Sie ist schwer an Lungenkrebs erkrankt und ich denke jeden Tag sehr viel an sie und auch an ihre Familie. Danach haben wir uns noch das Glockenspiel angehört und zum krönenden Abschluss noch einen Krapfen aus der „Krapfen-Impfstation“ der Konditorei Simon gegönnt. Sensationell. Ideen muss haben! Großartig!
Woche 3 – Viel Bewegung und Freude auf zu Hause
Nach einer doch etwas entspannteren zweiten Woche war in der dritten wieder viel Bewegung angesagt. Und es tat so gut. Noch dazu möchte ich erwähnen, dass mein Zimmer im sechsten Stock war und ich so oft es ging die Treppen statt den Aufzug genommen habe. Lt. meiner Garmin-App waren es gut 900 Etagen nach oben und 1.000 nach unten (das Bergauf und Bergab beim Spazierengehen mit eingerechnet). In Stufen macht das mehrere Tausend!!! Beim Ausdauer- und Krafttraining konnte ich mich auch steigern. Lediglich Bewegungen meine rechte Schulter betreffend, waren sehr schmerzhaft und auch meine linke, operierte Seite tat oft etwas weh. Je nach Bewegung.
Abends saßen wir wieder oft zusammen. Haben gelacht und (ich trau es mir ja gar nicht sagen) Prosecco getrunken. Abschiede „gefeiert“ von den Frauen, die abreisten. Mittendrin war unser Daniel. Ganz elegant hat er unsere Gläser, Tassen, Becher nachgefüllt.
Von links nach rechts – hintere Reihe: Maria, Dani, Yvonne, Beate, Olga, Karo / Untere Reihe: meine Wenigkeit, Daniel, Monika.
Und auch an diesem letzten Wochenende waren wir wieder in Passau, diesmal auf der Donau-Seite. Nachdem Dani mir erzählt hatte, dass sie und ihr Mann gerne Geocachen, hatte sie mich gefragt ob ich das auch mal ausprobieren möchte. So sind wir am Samstag zur Veste Oberhaus gefahren und sind bei etwas Regen und Restschnee erst dort etwas entlang spaziert. Dann haben wir uns auf die Suche nach dem Cache „Über den Dächern“ gemacht. Laut Koordinaten waren wir da, aber wir haben ihn nicht gefunden. Sowas fuchst mich ja schon ungemein und letztendlich habe ich ihn dann doch noch entdeckt. Mein erster Geocache. Hurra!!! Beim Parkplatz war noch ein Zweiter versteckt, den haben wir dann auch noch gefunden. Auf dem Rückweg zur Klinik natürlich noch einen Zwischenstopp im „Impfzentrum“ gemacht und eine Dosis abgeholt. Sonntag haben wir das „Adventure-Lab“ Halser Ilzschleifen gemacht. Auch so übrigens eine schöne Wanderroute. Das waren insgesamt 8 Geocaches mit einem Bonus-Cache. Zum krönenden Abschluss waren wir noch beim „Sir Wacki“, ein riesiger Holz-Dackel in unmittelbarer Nähe des Biergartens der Brauerei Hacklberg. Da war auch einer versteckt. Ja, ich würde sagen, ich hab ein neues Hobby!
Abends ging es dann ans Koffer packen und ein letztes Mal saßen wir gemütlich beisammen, bevor es am 01. Februar für die Meisten von uns nach Hause ging.
Abschließende Beurteilung
Grundsätzlich war das Angebot an therapeutischen Anwendungen ok. Die TherapeutInnen, Pflegepersonal, Personal allgemein (Küche, Putzkräfte, Empfang) waren immer sehr freundlich, bemüht und hilfsbereit. Jedoch muss ich aus meiner Erfahrung sagen, dass diese Klinik für Brustkrebspatienten NICHT geeignet ist. Warum? Darum:
Therapeutisches Angebot / Ärzte / Informationen:
- Keine fachlich kompetente psychologische Betreuung
- Es gibt keinerlei Informationen zum Leben oder Umgang mit bzw. nach der Krebserkrankung wie z. B.:
- Welche Untersuchungen stehen mir wie und wann zu?
- Welcher Arzt macht was? Onkologe, Gynäkologe, Hausarzt?
- ECHTE Krankheitsverarbeitung in Form von Gesprächskreisen, Gruppentherapien entweder durch eine Psycho-Onkologin oder eine Psychologin, die sich wirklich mit dem Thema Krebs auskennt
- Wechsel oder Anpassung der Anwendungen war nicht möglich
- Schlechte Planung der Anwendungen/Therapieeinheiten
- Oft wechselnde Therapeuten
- Keine für Brustkrebspatienten spezialisierte Bewegungstherapie
- Keine Übungen, die die Beweglichkeit nach OP/Bestrahlung verbessern
- Keine Informationen bzw. Anleitung bezüglich Pflege/Behandlung der Haut/Brust nach OB/Bestrahlung
- Keine Brustschwester oder Ansprechpartnerin, die sich mit Brustkrebs WIRKLICH auskennt und während des Klinikaufenthalts als Anlaufstelle dient, z. B. bei Brust-Schmerzen, Wundmanagement, etc.
- Es gibt nur einen einzigen Gynäkologen im Haus (der wie oben beschrieben eine aus meiner Sicht Katastrophe ist). Unabhängig davon gibt es aber auch Frauen, die grundsätzlich eine Gynäkologin einem Gynäkologen vorziehen. Eine Alternative gibt es hier leider nicht
- Sämtliche Vorträge zu psychologischer Betreuung, Ernährung, Bewegung waren allgemein. Ein Krebspatient hat im Vergleich zu einem Menschen mit Diabetes oder Adipositas einen anderen Anspruch an psychologischer Betreuung, Bewegung oder Ernährung
Drumherum:
- Angebot an wurst- und fleischfreien Lebensmitteln sehr überschaubar. Überwiegend TK und Fertigprodukte (und das in einer Klinik, die eigentlich auf Stoffwechselerkrankungen, Diabetes und Adipositas spezialisiert ist)
- Die Zimmerausstattung ist nicht zeitgemäß. Charme der 70er/80er Jahre (heute würde man sagen das ist „Vintage“). Es war zwar alles recht sauber, aber das Bad teils mit Schimmel in den Fugen. Es gab kein WLAN auf dem Zimmer nur in der „Lounge“ wo max. 5-6 Personen Platz hatten. Man hat doch noch Dinge wie Bankgeschäfte etc. zu erledigen, das möchte man nicht unbedingt machen, wenn der Bildschirm einsehbar ist. Oder wenn man mit Familie / Freunden via Videotelefonie sprechen möchte (gerade jetzt wo Corona ist) fand ich das auch eher ungut. Muss ja nicht jeder mitbekommen, was man zu besprechen hat. Noch dazu war der Empfang auf dem Zimmer eher bescheiden.
Ich hatte leider keine Wahl und bin diese Rehabilitation angetreten, obwohl ich Bedenken hatte, mich im Vorfeld mit anderen Patientinnen ausgetauscht hatte, die mir bereits von dieser Klinik abgeraten hatten. Diese Rehamaßnahme hat mir persönlich für mein Krankheitsbild nicht weitergeholfen. Im Gegenteil, psychisch geht es mir sogar schlechter als vorher.
[…] „Krebs – vor, während und danach“. Vor allem für die erste Zeit danach. Gut, wäre meine Reha eine gescheite gewesen, hätte ich vermutlich einiges an die Hand bekommen. Zum Glück gibt es den Austausch mit anderen […]